Franz Benque und Verwandte haben kaum Bezüge zu Rostock vorzuweisen. Es sind die spannenden Biografien und die Nebenstränge zu (bekannten) Fotografen, die mich bewogen, die Geschichte aufzuschreiben.
Mehrere Fotografen trugen den Namen Benque: die Brüder Franz und Wilhelm Benque, Franz´ Sohn Albert und die Enkelin Lilly, sowie Franz Wilhelm, der Cousin von Franz und Wilhelm.
Da es nur selten möglich war, von Rostock aus auf Akten und Daten in Italien, Frankreich oder Brasilien zuzugreifen, musste der Blick in die Literatur helfen, von der zur Fotografenfamilie Benque in den vergangenen Jahren einiges erschienen ist:
Schiffer-Ekhart, Armgard: Sebastianutti & Benque – Fünf Fotografen. Vier Generationen. Drei Kontinente. Graz 1997.
Karp Vasquez, Pedro: Fotografós Alemầes no Brasil do Século XIX, Deutsche Fotografen des 19. Jahrhunderts in Brasilien. Sao Paulo 2000
Franz Benque wurde am 12. März 1841 in Ludwigslust geboren. Sein Vater, Christian Benque, war Lehrer an der dortigen großherzoglichen Taubstummenanstalt. Das Fotografenhandwerk (und nicht wie anderswo zu finden: „Fototechnik“) erlernte Franz Benque ab ca. 1856 bei Carl Cuno Hersen in Güstrow. Von C.C. Hersen gibt es eine Verbindung nach Rostock. Er war Mitglied des Rostocker Kunstvereins.
1864 ging Franz Benque nach Triest – damals zur K.u.K.-Monarchie gehörend – und war dort sowohl als Einzelperson als auch mit dem Uhrmacher Guglielmo Sebastianutti als Fotograf tätig.
Auf der Rückseite ist eine Auszeichnung abgebildet. Es ist ein Erster Preis, den Benque 1865 auf der Internationalen Photographischen Ausstellung des Photographischen Vereins zu Berlin erhielt.
Zu der Berliner Auszeichnung kamen Preise bei der Weltausstellung in Paris (1867) und bei der Zweiten Ausstellung photographischer Arbeiten des Photographischen Vereins zu Hamburg (1868) hinzu.
1869 löste Benque das Geschäftsverhältnis zu Sebastianutti auf und ging nach Hamburg.
Sebastianutti führte das Geschäft allein unter seinem Namen fort.
Sebastianutti nahm erfolgreich an Ausstellungen teil, so 1869 in Groningen und 1870 in Wien.
Sebastianutti fotografierte auch außerhalb des Ateliers, z.B. die Sommerresidenz der Habsburger, Schloss Miramare, wenige Kilometer von Triest entfernt.
Franz Benque gründete mit Conrad Kindermann 1869 in Hamburg das Atelier Benque & Kindermann.
Conrad Kindermann wurde 1842 in Lübeck geboren. Er lernte bei seinem Bruder Adolph Diedrich Kindermann in Hamburg das Fotografenhandwerk.
1863 eröffnete Conrad Kindermann ein Atelier in Lübeck.
Bereits 1870 zog Benque weiter nach Brasilien. Conrad Kindermann behielt den Namen des Ateliers bei. Kindermann war frühes Mitglied im Deutschen Photographen-Verein und ab 1882 Mitglied des Vorstands. Er war ebenfalls Mitglied des Photographischen Vereins zu Berlin.
Kindermann schmückte sich mit den Auszeichnungen, die Benque erhalten hatte. Jedoch sammelte Kindermann auch selbst eine Vielzahl von Preisen. Auch den Titel eines Hofphotographen führte das Atelier, verliehen wohl von Herzog Friedrich Ferdinand von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Glücksburg.
Das Atelier in Hamburg wurde 1887 von der Großen Bleichen 30 in die Esplanade 2 verlegt und bestand dort bis 1933.
Bis 1920 war C. Kindermann alleiniger Inhaber, ab 1921 wird C.E.J. Kindermann als Mitinhaber geführt. 1926 wird C. Kindermann letztmalig im Hamburger Adressbuch geführt. C.E.J. Kindermann führte das Atelier weiter. 1934 zog das Atelier Benque & Kindermann nochmals um, in die Isetraße 83, was auch die Wohnanschrift von C.E:J. Kindermann war. Letztmalig erscheint der Name Benque &Kindermann 1941 im Adressbuch, in den Jahren 1942 und 1943 ist lediglich C.E.J. Kindermann als Fotograf eingetragen. Das nächste Adressbuch erschien erst wieder 1947, ohne C.E.J. Kindermann.
In den 1890er Jahren wurde eine Filiale von Benque und Kindermann in Düsseldorf in der Elberfelder Straße 4 geführt.
Noch vor 1900 wurde die Filiale abgegeben und unter Benque und Kindermann Nachfolger vom Fotografen Johannes Goßmann geführt.
Zurück zu Franz Benque. Der war 1870 nach Brasilien gegangen und wurde dort Partner von Albert(o) Henschel, der aus Berlin stammte und seit 1866 die Firma „Photographia Allema de Alberto Henschel & Co.” mit Niederlassungen in Recife and Bahia führte.
Bei „Henschel & Benque Photographia Allema” kam noch 1870 eine Niederlassung in Rio de Janeiro hinzu. Die Zusammenarbeit von Henschel und Benque war sehr erfolgreich.
1871 nahmen Henschel & Benque an der XXII. Allgemeinen Ausstellung für Bildende Künste der Kaiserlichen Akademie mit zehn Arbeiten teil und erhielten dafür die Erste Goldmedaille. 1873 nahmen sie an der Weltausstellung in Wien teil. Auch an der XXIII. Allgemeinen Ausstellung nahmen Henschel & Benque teil und zeigten u.a. Momentaufnahmen von Tieren und Heliografien Lichtdrucke. 1874 bekam das Studio das Hofprädikat des Kaisers von Brasilien verliehen.
1878 kehrte Benque nach Triest zurück, Alberto Henschel setzte seine Arbeit in Brasilien fort.
Alberto Henschel und Franz Benque waren nicht die einzigen Fotografen, die aus dem deutschsprachigen Raum nach Brasilien gingen. So betrieben z.B. der Schweizer Guilherme (Wilhelm) Gaensly und der Deutsche Rodolfo (Rudolf) Lindemann in Salvador de Bahia ein Atelier.
Auch J. Vollsack kam wohl aus dem deutschsprachigen Raum. Er war bei Henschel & Benque Erster Operateur und machte sich später mit einen eigenen Atelier selbstständig.
Zurück in Triest arbeitete Benque wieder mit Sebastianutti in einer Firma zusammen, allerdings arbeitete Sebastianutti in Mailand und Benque in Triest.
Ansichten des Habsburgerschlosses Miramare wurden weiterhin vertrieben.
… und noch die Rückseite der beiden obigen Abbildungen:
Benque behielt nach dem Tod Sebastianuttis 1881 den eingeführten Namen der Firma bei. Wenn es stimmt, dass Benque 1883 österreichischer Hoffotograf wurde, sind die beiden obigen Aufnahmen zwischen 1883 und 1887 entstanden und Benque hat das Atelier in Mailand noch einige Zeit weitergeführt. 1887 zog das Atelier von der Via dell´Annunziata an die Piazza della Borsa, wo seit den 1860er Jahren Fotografen aktiv waren.
1903 übergab Franz Benque das Atelier an seinen Sohn Alberto, der das „Stabilmento Alberto Benque Successore a Sebastianutti & Benque” bis 1920 fortführte.
Die folgende Aufnahme müsste von Alberto stammen, der wohl die Bestände des Vaters aufbrauchte. Laut handschriftlicher Notiz wurde das Bild 1904 aufgenommen.
Franz Benque starb 1921 in Villach.
Alberto ging 1920 nach Graz, führte dort bis 1951 ein Atelier, das seine Tochter Lilly übernahm. 1883 endete die Geschichte der Benque-Ateliers.
Es gibt jedoch noch einige weitere Nebenstränge. Franz´ Bruder Wilhelm war ebenfalls Fotograf und war in den 1860er und 1870er Jahren in Batavia auf Java tätig. Von 1879 bis 1881 war er Mitinhaber des Ateliers Klary und Benque in Paris. Sein Partner C. Klary hatte zuvor oder eventuell auch zeitgleich Ateliers in Algerien, in Oran und Algier, betrieben. Er warb damit, dass er bei dem bekannten Fotografen Felix Nadar gelernt hatte.
Und dazu ein Beispiel von Nadar:
Und ein Beispiel von Benque & Klary:
Ob Wilhelm Benque das Atelier nach 1881 fortführte oder ob lediglich der Name beibehalten wurde ist mir nicht bekannt.
Die Gestaltung der Rückseite ähnelt sehr dem Visitporträt von Sebastianutti & Benque, Mailand 1880. (siehe weiter oben)
Benque starb 1903, das Atelier hatte wohl bis in die 1910er Jahre Bestand. C. Klary verfasste in den 1880er und 1890er Jahren einige Fachbücher, z.B. „L´Eclairage des Portraits Photographiques“ und war möglicherweise auch in Brüssel als Fotograf tätig. Eine Vielzahl von Schauspieler- und Prominentenfotos wurde bei Benque gemacht.
Motive von Benque waren auch auf den Sammelbildern in den Schokoladen von Felix Potin zu finden.
Für kurze Zeit war vielleicht Franz´ Sohn Albert Inhaber von Benque Paris; das folgende Bild weist einen A. Benque als Betreiber des Ateliers aus.
Bleibt noch die Geschichte von Franz Wilhelm Benque (1857-1912), der ein Neffe von Franz und Wilhelm und Sohn des Landschaftsarchitekten Wilhelm Benque war.
Franz Wilhelm unterhielt von 1886-1889 in Hamburg ein Atelier.
In den Jahren 1898 bis 1900 ist Benque Mitinhaber des Ateliers Voigt & Benque im Bremer Domshof 27. F. G. A. F. C. Voigt hatte das Atelier bereits ab 1896 geführt.
Auch in den Jahren 1901 und 1902 ist Voigt wieder alleiniger Betreiber. Ab 1903 findet sich dann eine Filiale von Samson & Co. – einer Kette von Fotoateliers – in den Adressbüchern.
Franz Benque und Verwandte stehen beispielhaft für die Mobilität vieler Fotografen des 19. Jahrhunderts und überragen einige.