Der Pfingstmarkt

Eine große Attraktion im Hafen war der seit 1390 jährlich stattfindende Pfingstmarkt.

                               (Rechte: Foto Marburg)
„Dieser Pfingstmarkt ist für den Rostocker das, was das „Oktoberfest“ für den Münchner ist oder für den Hamburger der „Dom“. Nein, was sage ich, er ist noch viel, viel mehr, Vergleiche halten da nicht mehr stand.“ (Franz Bei der Wieden: Rostock einst. Bückeburg 1969)
Bevor der Pfingstmarkt eine Unternehmung wurde, die vornehmlich dem Vergnügen diente, war er, wie der Name sagt, ein Markt und für viele Händler sehr lukrativ.

„Auf geziemendes Ansuchen der Ältesten und Deputirten der Kramer-Compagnie, wird, in Gemäßheit des § 20 der confirmirten Kramer-Ordnung vom 25sten April 1816, gesammtem zum Pfingstmarkte hieher kommenden fremden Kaufleuten hiedurch wiederholt angefüget, daß sie, bey Vermeidung nachdrücklicher Strafe in jedem Entgegenlebungs-Falle, nicht an mehreren Stellen zugleich, und auch nicht länger als bis zum Sonnabend-Abend der zweyten Pfingstmarkts-Woche, verkaufen dürfen.
Publicatum Jussu Senatus. Rostock am 5ten May 1820.
J.C.T.Stever, Pronotarius“
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts verlor der Pfingstmarkt für Kaufleute seine Bedeutung.
So schrieb F.Schweder am 22. Mai 1874 an Max und Julius Gimpel (Kaufleute, Tuch-, Leinen-, Manufactur- und Modewaaren-Geschäft; Hopfenmarkt 2): „Ich erlaube mir Ihnen anzuzeigen das ich nicht zum Rostocker Pfingstmarkt komme, und werde im Güstrower Wollmarkt Ihre Bestellung entgegen nehmen.“

So wurde aus dem Markt ein Volksfest.
„Dort unten am Strande bei den Kohlen-, Holz- und Brikettlagern der Herren Podeus, Boldt usw. … Ein ohrenbetäubender Lärm empfängt den arglosen Besucher, undefinierbare Wohlgerüche reizen zum Niesen, eventuell auch zu Magenverstimmungen“ (Ernst Püschel: Rostock und die Rostocker. 1911)
Ausschnitt aus einer Ansichtskarte. Aufnahme von ca. 1900, während des Pfingstmarkts. Zu erkennen sind Rückwände und Zeltbauten. Im Hintergrund (X) die Kohlenhandlung Podeus, Strandstr.106 / Ecke Grubenstraße.

Annonce in der Rostocker Zeitung, 06.06.1914. Am Strande 101/102 entspricht auch der Strandstr 101/102

„Der Pfingstmarkt kostete viel Geld, und trotzdem war es eines Rostocker Jungen unwürdig, von den Eltern die sauer verdienten Groschen anzunehmen. … Fritz baute die Mainzer Kuchenbude links am Mönchentor mit auf und machte für die Besitzerin Botengänge. Ein blankes Markstück und eine große Tüte mit Butterwaffeln, Pariser Herzen und Mainzer Rosen waren der Lohn. Am ersten Pfingstfeiertag war die große Budenstadt still und ausgestorben, doch am nächsten Tag orgelte und trompetete es mit dem vierten Glockenschlag an allen Buden. Die Ausrufer schrien. Die Karussells dudelten. Blindschüsse knallten. Tambourins klirrten. Es quarrte und quietschte. Das Trulltrull knarrte, und der „Hau den Lukas“ dröhnte. Die Jungen riskierten die ersten fünf Pfennig auf dem Karussell und griffen nach dem Ring in der Birne, um eine Freifahrt zu bekommen. Der Duft von türkischem Honig, Wismarschem Aal, Schmalzkuchen und braunen Kuchen, glasiertem Ingwer, Bier und Wiener Würstchen lag als leichte Wolke über dem Strande, in der grüne, rote und blaue Luftballons nach oben stiegen, einzeln und manchmal dutzendweise.“ (Theodor Jakobs. Zwischen sieben Toren. Rostock 1942)

                Annonce in der Rostocker Zeitung, 06.06.1914

„Die Schaubuden hängen ihre brutalen Schauergemälde mit bluttriefenden Szenen aus. Karrussels drehen sich. Menagerietiere brüllen. Wirr schreien die Fanfaronaden der Saltimbanques, der schäbigen Jahrmarktsgaukler. Hundert Orgeln – Dudelkasten sagt der Rostocker – und Blechtrompeten schmettern dazu ihre kreischenden Melodien in die Luft, deren Dissonanzen, die sich zu höllischen Kakophonien sammeln, zur Notzüchtigung des Trommelfelles regelrechte tonale Katzbalgereien untereinander veranstalten. Und überall amüsierte Gesichter der schwatzenden, geputzten Menge, die nicht genug von diesen Schönheiten kriegen kann.“ (Walter Behrend. Rostock und Wismar. Leipzig ca. 1910)

(Rechte Foto Marburg) Der Pfingstmarkt zog sich die Große Mönchenstraße hinunter in den Hafen, von dort ostwärts und hinauf zum Alten Markt. Das Karussell im Bildhintergrund steht in Verlängerung der Wendenstraße. Das Haus links im Bild steht noch (wie zum Beweis, dass es all das wirklich gab).

Aufnahme von 2012. Etwas irritierend ist das Stück Stadtmauer, das auf obigem Bild nicht zu sehen ist. Disneyland ist eben überall.

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